Giacinto Scelsi, Conte d‘Ayala Valve

Geboren 8.1.1905 in La Spezia/ltalien; gestorben 9.8.1988 in Rom

Während seiner standesgemäßen Erziehung zeigte sich bereits eine außergewöhnliche musikalische Sensibilität— er erhielt jedoch außer einfachen Grundlagen in Harmonielehre (Giacinto Sallustio) keinerlei professionelle Ausbildung. Lange Abwesenheit, (Reisen nach Afrika und Asien, längere Aufenthalte in Paris, London und Genf), distanzierte ihn von jedem Einfluß italienischer Musik. In Genf studierte er bei Egon Koehler (stark von der Musik Skriabins beeinflußte Kompositionsweise), in Wien erhielt er Kompositionsunterricht in Zwölftontechnik bei Walter Klein (1935—1936). 1951 läßt er sich endgültig in Rom nieder, von wo aus er als Mitglied der Gruppe Nuova Consonanza Konzerte zeitgenössischer, improvisierter Musik veranstaltet. Er schrieb eine Reihe musik-philosophischer Aufsätze, von denen die Mehrzahl jedoch unveröffentl icht blieb — außer jenen in La Suisse contemporaine sowie drei Lyrikbände in französischer Sprache, erschienen 1949, 1954 und 1962.

Zu seinem Kompositionsstil: Über Musik erfährt der Mensch eine intuitive Verbindung zum Tanszendenten, was nach östlicher Religion und Philosophie gleichzusetzen ist mit dem Ausklammern der eigenen schöpferischen Persönlichkeit. Diese Art zu musizieren erzeugt eine unzählbare Vielfalt an Ausdrucksformen, welche sich in seinem umfangreichen Werk als Folge eines im Grundsatz unveränderlichen geistigen Prozesses widerspiegeln.

Um eine weitere, dritte Dimension, die Tiefe eines Klanges (in Ergänzung zu den anderen beiden Dimensionen Tonhöhe und -dauer) zu erschließen, schrieb Scelsi zwischen 1953 und 1958 etliche Werke für Blasinstrumente: Quays und Pwyll für Flöte, Preghiera per un‘ombra, Trestudi, und Ixor für Klarinette, Tre pezzi jeweils für die Instrumente Trompete, Saxophon, Horn und Posaune.

Nach 1950 wendet sich Scelsi zunehmend dem Asketischen der östlichen Kunst zu und gibt Konventionelles zugunsten exotischer bzw. esoterischer Ansätze auf. Technisch bedeutet das eine entscheidende Änderung in seiner bis dahin motivischen Arbeitsweise, welche zuvor seine Werke kennzeichnete. Diese Änderung erreicht ihren Höhepunkt in den spannungsgeladenen Quattro pezzi (su una nota sola) für Orchester (1959) aber auch im Stück Ko-Lho für Flöte und Klarinette (1966): Jeder Satz ist charakterisiert durch kleinste Variationen von Rhythmus, Dynamik oder Tonhöhen in einer Art und Weise, die an meditative Vorgehensweisen erinnert.

Darüberhinaus baut er seine Schreibweise in Richtung kleinster Intervalle (Viertel-und Achteltöne) bis hin zu ausgezählten Schwebungen aus. Die meisten Kompositionen dieser Art sind für Streicher geschrieben: Seine letzten drei Streichquartette, Xnoybis, L‘äme aiIlée, und L‘äme ouverte. Diese Entwicklung führt bis hin zur Verwendung von Tonmaterial außerhalb der temperierten Skala einschließlich dem Gebrauch von Clustern (Action music for piano) und musique concrète (Pranam 1 für Stimme, 12 Instrumente und Tonband). Eine Auseinandersetzung mit seinem reichhaltigen Oeuvre setzte erst in den achtziger Jahren ein, wobei begeisterte Aufnahme und fast kultische Verehrung im deutschsprachigen Raum mit einer Ablehnung im Heimatland kontrastierte. Das Interesse bedeutender Komponisten wie Ligeti, Feldman und Nono beendeten seine lebenslängliche Isolation.1

 1 The New Grove, Macmillan Publishers Limited 1980
 
 
 
 
 

Giacinto Scelsi - complete works for flute & clarinet :

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